Das Schloss der Grafen von Wiser zu Leutershausen


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Bericht Frau Falter

Rhein-Neckar-Zeitung 25./26.03.2006


Weinheimer Nachrichten 25.03.2006

Dieser Einladung folgten meine Frau und ich. Frau Falter stellte hier ihre Magisterarbeit vor, eine einmalige Dokumentation über das Schloss der Grafen von Wiser. In leicht verständlicher Weise verstand sie es, die Zuhörer in ihren Bann zu ziehen. Ihr Vortrag war mit umfangreichem Bildmaterial unterlegt, so dass man das Schloss mit einem ganz neuen Blick sah.

Freundlicherweise stellte Frau Falter uns eine kurze Zusammenfassung ihres Vortrages für diese Homepage zur Verfügung. Dafür möchten wir ihr an dieser Stelle herzlich danken. Wer mehr über die Geschichte des Schlosses der Grafen von Wiser  wissen möchte, kann im Rathaus eine Broschüre von Frau Falter erwerben.

Willi Eck

 

 
Das Schloss der Grafen von Wiser zu Leutershausen
 

(Auszüge aus dem Vortrag vom 23.03.2006 in der Alten Synagoge/Hirschberg-Leutershausen)

 


Das Schloss der Grafen von Wiser zu Leutershausen wurde im Auftrag von Graf Ferdinand Andreas von Wiser (1677-1751) durch den aus dem Vorarlberg stammenden und in der Kurpfalz tätigen Architekten Johann Jakob Rischer in den Jahren 1710 bis 1716 erbaut.

Die Familie von Wiser stammt ursprünglich aus Melk an der Donau in Österreich. Kaiser Maximilian erhob im Jahre 1500 die Familie unter Christoph Wiser in den Adelsstand und sie erhielten ihr Familienwappen, welches bis heute Gültigkeit besitzt. Unter dem Druck der Gegenreformation mussten die Familienmitglieder aus Österreich weichen. Sie fanden Dienste bei den Pfalzgrafen von Pfalz-Neuburg, unter denen sie nach Düsseldorf und später in die Kurpfalz kamen. Über Generationen hinweg hatten die Grafen von Wiser hohe Ämter inne. 1694 wurde die Familie in den Freiherrenstand, 1702 in den Reichsfreiherrenstand und im gleichen Jahr in den Reichsgrafenstand erhoben. Der Erbauer des Schlosses, Graf Ferdinand Andreas von Wiser, war der Stammvater der sog. Weißen oder Leutershausener Wiserschen Linie, sein Bruder, Graf Franz Joseph, der Begründer der sog. Schwarzen oder Siegelsbacher Wiserschen Linie. Ferdinand Andreas ehelichte 1701 Maria Charlotte Amalia, geb. Gräfin von Leiningen-Westerburg. Er stand in Diensten des Kurfürsten u. a. als diplomatischer Gesandter, kurpfälzischer Geheimer Rat, Kriegsrat und ab 1748 als Regierungspräsident.

Das gesamte gräflich-wisersche Anwesen besteht aus dem eigentlichen Schlossbau, einer kleinen Kapelle, einem Wirtschaftsgebäude, einer Zehntscheune, einer Remise sowie einem Park mit Orangerie und Skulpturen. Die Anlage steht seit 1989 unter Denkmalschutz.
 
Bei dem Schlossgebäude handelt es sich um einen kubischen Bau mit Walmdach und Walmgauben. Es besitzt elf Achsen sowie drei Geschosse, wobei sich unter dem Erdgeschoss eine Sockel- und über dem letzten
Geschoss eine Attikazone befindet, die sich etwa über die Breite des Risalits erstreckt. Bei einem Risalit (Mittel-, Eck-, Seitenrisalite) handelt es sich um einen in seiner ganzen Höhe einschließlich Dach vorspringenden Gebäudeteil, welcher besonders in der Renaissance und im Barock als Fassadengliederung beliebt war. Über dem Eingangsportal sitzt direkt auf dem Gurtgesims das Doppelwappen des Erbauers und seiner Gemahlin.

Auf diesem Gesims stehen auch die vier Pilasterbasen der Kolossalordnung (Säulenordnung, die über mehrere – meist zwei – Stockwerke greift), die den Risalit gliedern. Die sehr langen Pilaster verjüngen sich nach oben hin, was äußerst ungewöhnlich aussieht und kaum vergleichbare Beispiele findet (Ausnahme: Haus Buhl/Heidelberg, zw. 1720 und 1725, Architekt: Rischer).
 
Die sämtlich originalen Fenster weisen allesamt Ohrenumrahmungen auf. Unter den Fenstergesimsen des 1. und 2. Obergeschosses im Risalit befindet sich beidseitig eine dreigliedrige Verzierung, sog. Guttae (lat. gutta, guttae f: 1. Tropfen, 2. Fleck an Tierkörpern oder an Steinen). Auf der Gartenseite springt der ebenfalls durch eine Kolossalordnung unterteilte Mittelrisalit deutlich hervor, so dass der Mauervorsprung in der Breite genügend Raum für ein Fenster bietet. Im Inneren befindet sich an dieser Stelle der Treppenaufgang. Auf der Höhe des 1. und 2. Geschosses weist die Gartenfassade innerhalb des Risalits je zwei Figurennischen auf, wobei die im 1. OG mit Rundbögen und die im 2. OG mit Segmentbögen abschließen.
 
Das Schloss erstrahlt nach zahlreichen Renovierungsarbeiten der letzten Jahre heute in einem warmen gelb-braunen Farbton, während die Pilaster, die Attikazone sowie die Sockelzone sandsteinfarben hervortreten.
 

Der dreischiffige Eingangsraum besitzt ein vierteiliges Kreuzgratgewölbe, welches durch zwei Säulen und zwei Pfeiler gestützt wird. Dieses Vestibül samt den Treppenaufgängen wurde in den 1960er-Jahren aufwendig restauriert. Der Grundriss des Erdgeschosses zeigt deutlich eine Enfilade auf, d. h. eine Aufreihung von Räumen, deren Türen in einer Achse liegen und Durchsicht in alle Räume erlauben. Die Enfilade setzt sich auch in den oberen Stockwerken fort. Die Räume des ersten Obergeschosses (Piano Nobile bzw. Ètage noble) dienen heute noch Empfangszwecken. Eine Besonderheit weist die Bibliothek auf: Dieser Raum war vermutlich das Schlafzimmer des Grafen und wurde im Laufe der Zeit umfunktioniert. Hierin befindet sich eine latente Tür, hinter der sich ein kleiner Raum befindet, der wohl als Bad/Toilette diente. Zu sehen ist diese Situation auf dem Gemälde „ex voto 1770“, das sich im Schloss befindet. In der Bibliothek hängen ferner 14 der insgesamt über 40 vorhandenen Ahnenporträts.
 
Aufgrund des glücklichen Umstandes, dass sich die Original-Bauunterlagen bis heute im gräflich-wiserschen Archiv erhalten haben, kann anhand der handschriftlichen Aufzeichnungen, beispielsweise des zwischen Graf Ferdinand Andreas von Wiser und Johann Jakob Rischer geschlossenen Vertrages aus dem Jahre 1710 explizit die Baugeschichte und der ursprünglich geplante Zustand recherchiert und nachvollzogen werden.


Das Schloss besaß ursprünglich eine Kuppel samt Kuppelsaal, welche bereits im Jahre 1801 abgetragen werden mussten, da die Kuppel einsturzgefährdet war. Diese wurde durch einen flachen klassizistischen Giebel als Frontispiz (frz., Giebeldreieck über einem Mittelrisalit) ersetzt, welcher bis 1929 bestand. Seitdem weist die Fassade eine schlichte Attikazone auf.
 
Der Schlosspark (um 1730 fertig gestellt) mit Orangerie (Gartenhaus) erstreckt sich in Richtung Norden. Neben diesem Areal gab es weitere Nutzgärten westlich des Schlosses. Der Schlosspark wurde mehrfach umgestaltet, das letzte Mal 1999 als schadhafte Bäume entfernt werden mussten, die das denkmalgeschützte Anwesen gefährdeten.
 
Insgesamt sind elf der um 1720/1730 gefertigten Skulpturen heute noch erhalten und in dem Park aufgestellt. Der Bildhauer der Figuren ist leider nicht bekannt.
Die allesamt auf einem Sockel stehenden Skulpturen bestehen aus einem hellen gelblichbraunen Sandstein. Zwei der Figuren sind Putti, die zwei der vier Jahreszeiten symbolisieren. Gesichert sind anhand der Attribute folgende weitere Figuren: Zeus (Jupiter), Athene (Minerva), Herakles (Herkules), Ares (Mars) sowie die Personifikation der Kurpfalz. Viele Fragen und Unklarheiten weisen die restlichen Figuren (Figur mit Lyra, Figur mit dreieckigem Gegenstand, Figur mit Wappenschild und eine weitere Skulptur) auf. Die Skulpturen wurden vor einigen Jahren aufwendig restauriert.

Die Loreto-Kapelle befindet sich am Eingang des Schlossbereichs. Graf Ferdinand Andreas von Wiser ließ sie 1737 erbauen und 1742 weihen. Hier stand von Anfang an das Gnadenbild der „Schwarzen Madonna“, die sich seit Fertigstellung des Baus in der neuen katholischen Kirche befindet, für welche die gräfliche Familie das Mittelfenster in der Apsis des Chorraumes und das Fenster in der Gnadenkapelle stiftete. In der Kapelle befinden sich eine Glocke mit der Inschrift „MCCCCIXVIII nach Crest Gebort“, zwei Epitaphien, ein Taufstein sowie der Barockaltar (1992 restauriert), dessen Retabel aus dem 18., der Unterbau, die Podeste und die Seitenschränke aus dem 19. Jahrhundert stammen.

1714 ließ der Erbauer des Schlosses auch das Wirtschaftsgebäude/Amtshaus errichten, das 12 Achsen, zwei Geschosse und ein Mansarddach besitzt. An dessen Mauer sowie an der Mauer der Remise befinden sich die Grabdenkmäler von Adam von Hirschberg, von Graf Franz Joseph von Wiser (+1755) und Gräfin Anna Lucia (+1726), von Wilhelmine, geborene Gräfin von Wiser (+1770) sowie von Graf Carl Joseph von Wiser (+1788).

Caroline Falter M. A.

Kunsthistorikerin

 

 

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Doppelwappen über dem Eingangsportal   -   zurück

 
Dreiecksgiebel   -   zurück

 
Fenster des Risalits   -   zurück

 
Ferdinand Andreas von Wiser (Quelle Rainer Gutjahr)   -   zurück

 
Gartenfassade   -   zurück

 
Kurpfalz nach der Restaurierung   -   zurück

 
Orangerie   -   zurück

 
Plan Rischer, vom Original fotografiert   -   zurück

 
Schloss 1774 (Quelle: Rainer Gutjahr)    -    zurück

 
Schlossfassade   -   zurück

 
Wappen von Wiser   -   zurück

 
Zeus   -   zurück